Wer die Beteiligten – sei es das Führungsteam, die Mitarbeiter, der Vorstand oder sogar die Kunden selbst – für eine umfassende Veränderung gewinnen will, muss mit einer Art eigenen Anziehungskraft rechnen, erklärte mir Anna Binder vor einer Weile in dem für sie typischen sachlichen Stil bei einem Telefonat.
„Es besteht immer das Risiko, Vertrauen zu verlieren und es schwinden zu sehen. Daher ist es wichtig, aufrichtig zu sein und das Richtige zu tun“, sagt Asanas Head of People.
Binder führt das Unternehmen seit ihrem Beitritt vor sechs Jahren durch wichtige Wachstumsphasen und entscheidende Veränderungen. Wer ein Team durch Zeiten des Wandels führen will, muss ganz genau wissen, warum er diese Entscheidungen überhaupt trifft.
Sind sich die Führungskräfte erst einmal im Klaren darüber, welche großen oder auch kleinen Veränderungen sie vornehmen wollen, sollten sie Räume und Kanäle schaffen, in denen die Mitarbeiter ihre Meinung dazu äußern können.
„Räume zu schaffen bedeutet, dass ich mir einen Moment Zeit nehme, um sie zu fragen: ‚Inwiefern entspricht diese Veränderung Ihren Erwartungen?‘“, sagt Binder.
Laut Anna können Führungskräfte durch die Einrichtung eines eigenen Slack-Kanals ihren Mitarbeitern einen Raum geben, in dem diese ihre Meinung ausdrücken können. Gleichzeitig wird verhindert, dass sich diese Empfindungen „wie eine Flutwelle anstauen“, sagt sie.
Das Einrichten von Kanälen ist ebenso wichtig wie das Äußern von Empfindungen, sagt Anna Binder.
„Viele fragen mich: ‚Wie machen Sie das eigentlich? Wie bekommen Sie diese Auszeichnungen? Wie erhalten Sie so tolle Glassdoor-Bewertungen?‘ Wenn Sie intern Kommunikationskanäle schaffen, in denen die Fragen der Mitarbeiter beantwortet werden, damit sie Klarheit haben, werden sie – selbst, wenn ihnen die Antwort nicht gefällt – zufriedener sein und sich wahrgenommen fühlen“, erläutert Binder. „Gelingt Ihnen das nicht, werden sich die Mitarbeiter extern in öffentlichen Foren beschweren. Und ehrlich gesagt, ist das vielleicht sogar verständlich, denn es liegt allein in Ihrer Verantwortung als Führungskraft, intern einen Raum zu schaffen, in dem Mitarbeiter Gehör finden.
Nicht zuletzt dank dieser Offenheit genießt Binder bei Asana in Zeiten des Wachstums und Wandels enormes Vertrauen.
Binder setzt auch die bewährte Marketingstrategie der „Rule of 7“ ein, wonach ein Kunde den Namen eines Unternehmens siebenmal hören muss, bevor er eine Kaufentscheidung trifft.
Einer anderen Strategie zufolge werden Führungskräfte darin geschult, die Mitarbeiter nicht zu fragen: „Wie geht es Ihnen?“, sondern die Frage „Wie fühlen Sie sich heute?“ zu stellen. Diese subtile Änderung führt oft zu ganz anderen Antworten.
„Bei wichtigen Dingen sollten Sie sich sieben Mal auf sieben verschiedene Arten den Mund fusselig reden, bis Sie fast schon selbst davon genervt sind“, erklärt sie mir.
Nachfolgend finden Sie eine kurze Fragerunde mit der Personalchefin von Asana im Vorfeld ihres Gesprächs am 20. Juli 2022, das im Rahmen des Asana-Webinars „Leading through change: Creating clarity and building trust“ stattfindet.
Anna Binder, Head of People bei Asana.
Asana: Die Arbeitskultur steht im Wandel, und immer mehr Führungskräfte sind bereit, den Empfindungen ihrer Mitarbeiter bei der Arbeit Raum zu geben.
Binder: Ein Blick auf die Generation unserer Eltern und die damaligen Arbeitsplätze in den Unternehmen zeigt, dass es dort weder Raum noch Interesse für den Menschen an sich gab. Niemand interessierte sich dafür, wie sich der Einzelne fühlte. Ich glaube sogar, dass das Wort „Empfindungen“ erst seit kurzem Einzug in den Sprachgebrauch der Arbeitswelt der Unternehmen gehalten hat.
Man könnte das entweder so sehen: „Wir sind weicher geworden“ oder aber so: „Wenn ein Unternehmen am Markt bestehen will, hervorragende Ergebnisse erzielen, seine Mission erfüllen und die Konkurrenz ausspielen will, muss es wie eine perfekt abgestimmte Maschine laufen.“ Die Auffassung, der Mensch könne seine Produktivität, Leistung und Kreativität von seinem emotionalen Wohlbefinden trennen, ist überaus kurzsichtig.
Fortschrittliche Unternehmen und Führungskräfte betrachten das Berücksichtigen der Empfindungen und die Stärkung der geistigen Gesundheit ihrer Mitarbeiter als eigennützlich, denn schließlich sollen diese ihr Bestes geben. Ich denke, daran sollten sich weitere Unternehmen orientieren.
In Ihren früheren Vorträgen sprachen Sie gerne von den „10.000 Entscheidungen“, die Führungskräfte treffen müssen, um ihre Geschäftsziele zu erreichen und gleichzeitig ihren Werten beim Erreichen ihrer Mission treu zu bleiben. Was ist denn Ihrer Meinung nach eine der wichtigsten Entscheidungen für Führungskräfte in Zeiten des Wandels?
Oftmals betrachte ich mich als Chief Communications Officer. Ich habe Zugang zu so vielen Informationen und Kontextwissen, was mir Zuversicht und Sicherheit für meine Tätigkeit gibt.
Ich frage mich ständig: „Wie kann ich dieses Wissen anderen vermitteln?“ Wir haben Mitarbeiter auf der ganzen Welt, u. a. in Singapur, Dublin und New York. Sie verfügen allerdings nicht über sämtliches Kontextwissen, was sich meiner Meinung nach ändern sollte. Natürlich soll das keine „Informationsflut“ auslösen, doch ich denke, in meinem Job geht es vor allem um Kommunikation.
„Ohne klare Kommunikation und Information dichten sich Menschen Ihre eigenen Geschichten zusammen – und diese Geschichten sind oft nicht gut. Als Führungskraft haben Sie also die Wahl: Sie können das zulassen und die Mitarbeiter ihre eigenen Geschichten erfinden lassen. Oder Sie können sagen: „Ich werde mich so sehr ins Zeug legen, dass ich es selbst nicht mehr hören kann, denn ich will unbedingt diese Botschaft, diese Informationen und diese Klarheit vermitteln. Ich bin für letzteren Ansatz, weil ich glaube, dass diese Methode ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit ist.
Welchen Schritt gehen Führungsteams in Zeiten des Wandels als Erstes?
Als Führungskraft müssen Sie damit beginnen, eine Liste der bekannten Punkte zu erstellen, die sich ändern werden. Und seien Sie ehrlich zu sich selbst, was diese Punkte angeht. Einige dieser Veränderungen sind positiv, andere negativ. In dieser Übergangsphase werden viele Ängste, Unsicherheiten und Bedenken entstehen – und die Planung für die nähere Zukunft wird zweifelsohne davon betroffen sein. Nennen wir das Kind doch einfach beim Namen.“
Wenn Sie als Führungsteam ehrlich zu sich selbst sind sowie den Mut und – offen gesagt – den Anstand haben, diese Punkte vor sich selbst und den Mitarbeitern laut auszusprechen, bereiten Sie die Mitarbeiter auf den Wandel vor und nehmen ihnen einen großen Teil des Unbehagens, das mit dem Wandel einhergehen kann, ab.
Wer seine Mitarbeiter auf den Wandel vorbereitet, schafft Vertrauen und Zuversicht.